Verpasst

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Dschänna philosophiert

Ich habe den runden Geburtstag meiner Mama verpasst.

Das Richtfest meiner Freundin.

Ich konnte vier Freundinnen nicht persönlich zur Geburt ihrer Kinder gratulieren. Die Neuankömmlinge nicht anschmachten.

Ich habe zwei Todesfälle aus der Ferne betrauert.

Ich werde bei der Hochzeit meiner Freundin im Sommer nicht dabei sein können.

Ich werde bei drei runden Geburtstagsfeiern nicht anwesend sein.

Seit dem wir hier sind habe ich Dinge verpasst. Dinge, die mir zeigen, dass das Leben weitergeht. Sowohl bei mir, wie auch bei Freunden und Bekannten in Deutschland. Zudem werde ich Dinge verpassen. Dinge und Anlässe die mir schon bekannt sind. Dinge und Anlässe, die mir noch unbekannt sind.

Es war und ist mir bewusst, dass, wenn ich mich für eine Sache entscheide, automatisch ich mich gegen andere Dinge entscheide. Ebenso war und ist mir bewusst, dass ich nicht alles haben kann – auch wenn ich das gerne hätte. Am liebsten von Allem ganz viel.

Doch, wenn bestimmte Ereignisse anstehen und ich hier sitze, viel Kilometer entfernt, dann rutscht es nochmal intensiver in mein Bewusstsein. Ganz besonders in mein Herz und damit in mein Gefühl.

Weil genau DAS kann ich gut wegdrücken. Solange bis ES keine Lust mehr hat, weggedrückt zu werden und mit lautem Getöse an die Oberfläche kommt. Tja, und dann sitze ich hier, bin traurig und überlege, wie es hätte anders gehen können.

Ja, in Deutschland hätte ich mich ins Auto gesetzt und wäre überall hingefahren. Natürlich kann ich mir ein Flug buchen und wäre innerhalb eines Tages dort.

Doch, ist es das, um was es geht? Überall dabei zu sein, um dabei zu sein? Um dazuzugehören? Ist es meine Angst, dass ich nicht mehr dazugehöre, wenn ich wiederkomme? Weil ich wichtige Ereignisse verpasst habe? Setzen mich solche Ereignisse ins Abseits? Bin ich dann vergessen, weil ich hier wohne und nicht dort? Bricht dann die Verbindung zu Freunden und Familie ab? Weil ich nicht auf den Erinnerungsfotos bin?

Meine Gedanken spielen gerade Karussell. Gut, dass machen sie oft. Im Moment kommen einige Ereignisse zusammen.

Es sind Fragen über Fragen, auf die ich (noch) keine Antwort hab.

Was ich weiß ist:

Ja, es macht mich traurig, nicht überall dabei sein zu können. Nur aus der Ferne gratulieren zu können und meiner Trauer Ausdruck zu verleihen. Ja, ich habe Angst, Freunde zu verlieren. Mein Bedürfnis nach Zugehörigkeit ist groß. Sehr groß.

Und doch bin ich froh, hier zu sein. Genau hier. Das mir trotz Entfernung solche Ereignisse nicht vorenthalten werden. Nach dem Motto: Bist ja eh nicht da, warum sollten wir dich dann teilhaben lassen. Dafür bin ich dankbar.

Und ich freue mich.

Darauf, dass unsere Freunde ihren Hochzeitstermin im Sommer so geplant haben, dass wir dabei sein können. <3

Das uns in den nächsten Wochen Freunde aus Deutschland besuchen kommen.:-)

Das wir im Sommer alles nachfeiern können, was wir verpasst haben.

Das ich die Neuankömmlinge dann endlich kennenlernen darf.

Das ich über diesen Blog Frauen kennengelernt habe, die evt. im Sommer nach Suzhou ziehen und wir uns dann persönlich begegnen können.

Jede Geschichte hat zwei Seiten. So auch diese. Meine.

Und auch wenn nicht immer alle darüber reden. Auch wenn es immer so scheint, als würden wir hier Dauerurlaub machen. Als würde jedes Jammern grundlos erscheinen, schließlich haben wir uns dafür entscheiden und wurden nicht gezwungen. So ist es doch unser Leben. Unser Alltag. Und genau dieser Alltag ist wie in Deutschland. Mit Gedanken, Gefühlen und Ereignissen. Denen wir gegenüberstehen. Manchmal ganz plötzlich.

Die uns kurz vergessen lassen, wo wir sind. Die uns daran erinnern, was wichtig ist. Die uns spüren lassen wer wir sind.

Jede Geschichte hat zwei Seiten und es scheint, als würde ich beide Seiten auf dieser Reise intensiver wahrnehmen.

Suoyou de ài  (Alles Liebe)

Dschänna

 

 

 

 

2 Gedanken zu “Verpasst

  1. Ich kann Dich so gut verstehen und Doch wir sind alle ein grosses Ganzes. Wir sind nie getrennt voneinander auch wenn wir physisch irgendwo nicht anwesend sind, geistig und energetisch sind wir immer verbunden. Und es ist gar nicht möglich irgendwo nicht dazu zu gehören. Was in dir macht das so signifikant? Ich bin Dir für mich gefühlt seit du in China bist näher als je zuvor. Danke meine Liebe für deinen Mut, dein voraus gehen, deine Bilder aus einem interessanten Land. Am visuellen teilhaben an deiner Welt 🌍🌎🌏Wie alle andern dich an an ihrer Welt teilhaben lassen für die Ereignisse die in den letzten Monaten waren und nun noch folgen. 🙏❤️🤗

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