
Ich strauchle mit Deutschland. Nicht immer, doch immer, wenn ich da bin. Das fängt am Flughafen schon an, wenn ich mit Bargeld bezahlen muss und meist nicht so viel dabei habe. Dass geht weiter, wenn ich unser EINES Gepäckband für drei ankommende Flieger sehe und endet bei den hupenden Autofahrern.
Im Alltag fällt mir auf, dass kaum einander angelächelt und kein Smalltalk geführt wird. Das es beim Einpacken an der Kasse dem Hintermann (oder Frau) nicht schnell genug geht.
Ich wurde das ALLERERSTE Mal in meiner Autofahrerkarriere (und die dauert nun auch schon 22 Jahre an. Krass! Und für alle die jetzt nachgerechnet haben, ja – ich bin so alt und das ist auch schön so) von einem Bauarbeiter vulgär beschimpft, samt Gestik und Mimik. Anlass für ihn war, dass ich nicht schnell genug den Baustellenschildern Folge geleistet habe.
Ich wurde von einer Bäckereiverkäuferin schnippisch aufgefordert, die wartenden Menschen beiseite zu schieben, damit ich mein Geld ordnungsgemäß auf den dafür vorgesehenen Geldteller lege. Schließlich ist der dafür da. Ich habe mich geweigert und ihr das Geld rüber gereicht, schließlich schubse ich keine wartenden Omi’s dafür zur Seite.
Als Ausgleich dafür habe ich super nette Servicemitarbeiter von der Autoverleihfirma kennengelernt. Ein wunderbar nettes Gespräch mit einer Dame aus dem Einzelhandel gehabt. Eine sehr engagierte Dame aus dem Schmuckladen erlebt. Einen überaus positiven Bahnmitarbeiter erlebt, was zu einem kurzweiligen Gespräch mit meiner Reisenachbarin führte. Ich habe mit der Fleischfachverkäuferin gelacht, weil sie mich schon eine Weile nicht mehr gesehen hat. Und mich mit der Frau aus der Apotheke über das Wetter unterhalten.
Ich strauchle mit Deutschland, so wie ich es auch mit China mache. Alles hat zwei Seiten und auf irgendeiner dieser Seiten können Idioten stehen. Doch statt diese Idioten zu sehen, sehe ich Menschen, die sich mir gegenüber so verhalten, wie ihr Tag war. Und vielleicht wusste der Bauarbeiter einfach, dass an einem Montagmorgen die Baustelle in der Nähe der Kreuzung einfach keine gute Idee ist, weil das Verkehrsaufkommen zu hoch ist. Oder er hat seinen Urlaub nicht so bekommen, wie er ihn gerne gehabt hätte. Wer weiß das schon. Ebenso kann es sein, dass die Bäckereifachverkäuferin länger arbeiten musste als geplant oder der Kunde vor mir unfreundlich war. Alles ist möglich.
Eines Tages werden wir wieder in Deutschland wohnen und dann möchte ich das mit einem guten Gefühl tun. Dann möchte ich die schönen Dinge sehen und nicht die Miesmuscheln.
Weil, Miesmuscheln gibt es einfach überall. Sogar hier, in diesem schönen Suzhou.
Vielleicht gehört das Straucheln zum Leben dazu? Vielleicht hilft es uns, unsere Blickwinkel zu erweitern? Offen zu sein, für neue Perspektiven und ungeahnte Schönheiten im Alltag. Vielleicht!?
Ich habe in diesem Sommer ein wunderschönes grünes Deutschland gesehen. Mit tollen Sonnenuntergängen und Spaziergängen durch kleine Gässchen. Ich habe leckeres Essen genossen und konnte getrost bei Grün die Straße überqueren.
Alles hat zwei Seiten und ich entscheide, welche ich erleben will.
Suoyou de ài (Alles Liebe)
Dschänna