
Montagmorgen. Es regnet. Die Kinder sind aus dem Haus. Ich bin vom Bus zurück und sitze auf meinem Sofa. Schaue dem Regen zu, wie er fällt, Tröpfchen für Tröpfchen und überlege, was ich denn heute mit dem Tag anfange. Was kann ich heute tun, damit ich heute Abend sagen kann: „Das war ein guter Tag! Danke dafür!“
Denn auch, wenn viele meinen, es wäre ein Geschenk des Himmels nicht mehr arbeiten gehen zu müssen und den ganzen Tag Zeit zu haben, so einfach ist es dann doch nicht.
Meine Erfahrungen
Als wir vor zwei Jahren hier ankamen, da wollte ich alles. Gleich und am besten sofort. Den Sprachkurs, neue Leute kennenlernen, reisen und wenn es geht, noch ein online Business. Dazu regelmäßiges Schreiben für meine Blogs und einige Zeitschriften, kochen und China lieben. Gepaart mit Geduld für die Kids und das offene Ohr für meinen Mann. Das Ende war schneller da, als gedacht. Nach vier Monaten gab ich den Sprachkurs auf, schraubte meine Erwartungen an mein online Business zurück und freute mich, dass ich auch Essen bestellen kann. Damals war ein guter Tag, wenn die Kids mit guter Laune von der Schule kamen und ich einfach für sie da sein konnte. Ohne Ablenkung. Ohne Termine. Ohne Druck, an anderer Stelle auch noch brillant geduldig performen zu müssen.
Jetzt, zwei Jahre später, da läuft’s. Die Kinder kommen gut klar mit der Schule. Haben Freunde und Hobbys. Ich weiß, wo ich was einkaufen kann, wenn ich kochen will. Wenn nicht, dann weiß ich auch, wo ich leckeres Essen herbekomme. Es gibt eine kleine Schreibroutine, für diesen Blog. Und für den anderen Blog hab ich gerade eine Pause eingelegt. Ich habe meinen Sprachkurs wieder. Mit einem sehr sympathischen Lehrer, in einer echt netten kleinen Runde. Ich fahre mein E-Bike und kann mir sogar die Wege merken, ohne Navi. Und wenn es regnet, dann nehme ich mir ein Taxi. Er läuft, der Alltag.
Jeden Morgen ab 7.40 Uhr ist Ruhe daheim. Jeden Nachmittag ab 16 Uhr ist damit wieder Schluss.
Mittlerweile stelle ich mir nicht mehr die Frage, wie organisiere ich was. Mittlerweile stelle ich mir die Frage, was ich heute sinnvolles tun kann. Für mich und/oder für andere. Denn der Sinn, der fehlt mir manchmal.
Klar kann ich die Zeit für mich nutzen. Für lesen und Sport und Bewegung und gute Gespräche und laut singen und schlafen und kochen. Doch, ist das immer sinnvoll? Ist es das, was ich jeden Tag tun will?
Ja, wenn wir arbeiten gehen (und ich spreche da aus Erfahrung) da kommt einem schon der Gedanke (besonders an verregneten Tagen): Wie gerne hätte ich mal Zeit für mich. Für Dinge, die ich gerne mache. Ganz entspannt, ohne Stress. Und ja, es tut gut sich diese Zeit zu nehmen und dann in voller Zügen zu genießen. Doch was ist, wenn du es dann wirklich hast – die freie Zeit und das Woche für Woche?
Am Anfang ist es wie im Schlaraffenland. Doch es kommt der Tag, da hast du alles gemacht, was du machen wolltest. Da kommt der Tag, an dem du überlegst: „Und nun?“
Mag sein, dass es Menschen gibt, die damit gut zurechtkommen. Die ihr Expatleben mit Sektchen auf dem Sofa lieben. Auf Dauer ist das für mich nichts.
Früher bin ich auch nicht immer gut gelaunt zur Arbeit gegangen. Fühlte mich gehetzt und gestresst. Habe mit meinem Zeitplan jongliert, um ja auch alles irgendwie zu schaffen. Und trotzdem war ich doch oft froh und dankbar, etwas Sinnvolles tun zu können. Sei es in der Gastronomie den Gästen eine schöne Zeit bereiten oder später mit den Jugendlichen, einen positiven Schritt in deren Zukunft getan zu haben. Als ich dann meine eigene Praxis hatte, da war es immer ein tolles Gefühl, wenn der Klient etwas ruhiger und entspannter aus der Stunde ginge, als er bei seiner Ankunft war.
Dem Tag etwas Gutes tun. Den Tag schätzen und nicht so vor sich hin plätschern lassen. Dem Tag einen Sinn geben. Das ist es, was mir hier fehlt. Das ist es, was es mir hier an verregneten Tagen schwer macht.
Und nun?
Mein Denken und meine Wahrnehmung haben sich verändert. Ich freue mich über die kleinen Dinge, die meinen Tag wertvoll machen und ich bin jeden Tag dankbar. Für alles, was wir bisher erlebt haben. Für alles, was noch kommt.
Und ich habe beschlossen, dass ich, wenn wir zurück in Deutschland sind, mir eine Aufgabe suche. Eine Aufgabe, die mich mit Sinn erfüllt und das ich dankbar sein werde, wenn ich sie gefunden habe. Auch an Montagen mit Regen.
Suoyou de ài (Alles Liebe)
Dschänna
Hallo Jana, genau die gleiche Frage stelle ich mir momentan auch. Wir starten in unser drittes Jahr in China, drei volle Jahre liegen noch vor mir. Reicht es mir wirklich, die Tage damit zu verbringen Freunde zu treffen, Kaffee zu trinken und Tennis zu spielen? (Überspitzt formuliert.) Eindeutig nein. Aber mir fehlt noch die zündende Idee, was ich „sinnvolles“ mit all meiner freien Zeit tun könnte!?!
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