Unser 134. Wochenende in China

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Dschänna und der Katzentisch

Ich könnte jetzt von Panik in Europa berichten. Von Hamsterkäufen und geklauten Masken. Von leeren Regalen und die Frage: Ehrlich, jetzt? Ist das die neue Form von Menschlichkeit? Da dazu aber schon viel gesagt wurde und auch ich – via Social Media – meinen Senf dazu beigetragen haben, werde ich davon nicht berichten.

Nicht, weil es nicht wichtig wäre, darüber aufzuklären. Deutlich zu machen, dass wir hier seit sechs Wochen mit dem Virus leben. Zu zeigen, dass sich der Alltag hier geändert hat, dass aber nicht zwangsweise für Europa gilt. Das alles finde ich sogar sehr wichtig. Doch, es geht heute hier um unser 134. Wochenende in China.

Dieses Wochenende war wie die Letzten. Wenig ereignisreich im Außen, weil das Wetter nicht traumhaft war und in Restaurants die Tische nur für drei Personen hergerichteten. Und wie ihr wisst, sind wir eine Vierer Familie. Das würde dann bedeuten, dass wir zwar essen gehen könnten, dann allerdings eine Person extra sitzen muss. Oder aber wir bilden Zweier Gruppen. Oder einen Kindertisch und einen Erwachsenentisch. Das gab es früher immer bei meiner Oma, wenn wir dort alle zusammenkamen, weil es ein Ereignis zum Feiern gab. Da saßen die Kinder oft extra. Der sogenannte Katzentisch war das dann. Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt fand ich das ganz nett. Doch dann strebte ich dazu ‚bitte bitte‘ an den Erwachsenentisch zu dürfen. Als ich dann da saß, fühlte ich mich echt groß. Lauschte den Gesprächen, von denen ich maximal die Hälfte verstand. Lachte bei Witzen, die ich eigentlich gar nicht verstand. Und überschlug meine Beine, was so überhaupt nicht bequem war. Mit der Zeit saß ich dann immer am Erwachsenentisch und die Besonderheit war verflogen.

Als meine Kinder da waren und größer wurden, da bereitete ich ihnen einen Kindertisch. Ich fand das alles so süß und niedlich und wollte ihnen damit eine Freude machen. Doch, wie auch schon zu meiner Zeit, strebten meine Kinder einen Platz am Erwachsenentisch an. Und ich schaute sehnsüchtig auf den kleinen Tisch, mit den kleinen Stühlen und den kleinen Tellerchen und dachte darüber nach, warum wir eigentlich viel zu schnell erwachsen werden wollen.

Ich wünsche mir manchmal einen Kindertisch zurück. Dann würde ich mich daran setzen und es in vollen Zügen genießen. Den Kuchen, das süße Getränk und die damit verbundene Unbeschwertheit.

Wie dem auch sei, ich habe Anfang der Woche erfahren, dass es vereinzelte Restaurants gibt, an denen man mit vier Personen sitzen darf. Ich würde sagen, das ist ein Vorhaben für das kommende Wochenende.

Suoyou de ài  (Alles Liebe)

Dschänna

8 Gedanken zu “Unser 134. Wochenende in China

  1. Liebe Jana . Ich lese schon lange deine Berichte über China. Und freue mich oft über kleine Erkenntnisse oder fühle mit dir. Vielen Dank für deine Beiträge!
    Ich glaube dass deine Kinder einfach gerne bei euch sitzen, bei euch sind. Dazu gehören möchten.
    Ein Restaurant mit 4er Tisch zu suchen, ist sicherlich eine gute Idee!
    Euch weiterhin eine gute Zeit in China
    Alles Liebe

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    1. Liebe Ina,
      Danke für deine Worte.
      Ich finde es immer wieder schön, wenn meine Leser sichtbar werden.
      Und ja, am Ende geht es oft um Zusammensein und Zugehörigkeit.
      Sonnige Grüße aus Suzhou

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  2. Sehr nett geschrieben. Sah mich gerade auch bei meiner Oma am Katzentisch mit der kindlichen Dekoration und dem sehnsüchtigen Blick zum großen Tisch! Schöne Erinnerung. Danke!
    Liebe Grüße. Luise

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    1. Hallo Luise,
      Kindheitserinnerungen sind was schönes.
      Besonders wenn sie so überraschend auftauchen.
      Ich hoffe, euch geht’s gut und ihr könnt bald zurückkommen.
      Sonnige Grüße aus Suzhou

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      1. Liebe Jana! Zurück komme ich mir den Kindern vorerst nicht. Sie sind vorübergehend in Schottland in einer Schule bis der Spuk aufhört. Gerüchte besagen, dass Schulen noch länger geschlossen bleiben. Vielleicht kommen die Kinder dann dieses Schuljahr auch gar nicht mehr zurück nach SH. Und was danach ist, steht in den Sternen. Liebe Grüße.

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  3. Sehr cool geschrieben, Jana. Eigentlich wie immer – druckreif und veröffentlichungswürdig! Das sind sie eben, die kindlichen Erinnerungen. Andererseits war der Hintergrund des Katzentisches oftmals so banal wie pragmatisch: Wenn die Plätze am großen Tisch irgendwie nicht ausreichten, sähe das komisch aus, wenn ein Erwachsener am Katzentisch sitzen würde und ein Kind – z.B. wegen der Erbfolge oder verwandtschaftlichen Nähe zum Gastgeber – am großen Tisch gesessen hätte, wo sich die Augen in etwa auf der Höhe des Tellerrandes befunden hätten…
    Aber so ist das eben. Jeder hat seine Sicht auf die Dinge.
    Unabhängig davon finde ich es schon wahnsinnig kreativ, wie du jedes Mal ein mitteilungs- und betrachtungswürdiges Thema in deinem Blog (ist das grammikalisch richtig so?) findest! Großen Respekt!!!
    Ich hab‘ ja schon einige Zeit gesagt, werde Schriftsteller oder auch „nur“ Buchautor. Ein SACH-Buch ist ja wohl mindestens drin…. Liebe Grüße, dein Papa.

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